Zur Verbreitung russischer Staatspropaganda durch eine Querfront aus führenden Politikern der „Linken“ und der „AfD“ angesichts des Attentats auf Alexej Nawalny
1. Einleitung
Alexej Nawalny, einer der bekanntesten russischen Oppositionspolitiker, wurde am 20.08.2020 mit dem militärischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet. Er befand sich auf dem Flug von Tomsk nach Moskau. Nach dem Kalkül der Täter sollte Nawalny an Bord des Flugzeuges sterben. Die Maschine, in der er saß, wurde allerdings auf Anweisung des Piloten nach Omsk umgeleitet, wo sie spontan notlandete. Nur durch dieses Eingreifen des Piloten und eine anschließende Behandlung Nawalnys mit einem Gegengift im dortigen Krankenhaus ging dieses Kalkül nicht auf.[1]
Die Ärzte im Omsker Krankenhaus hatten von Anfang an den Verdacht auf ein Nervengift und behandelten Nawalny dementsprechend, revidierten aber später ihre Diagnose und behaupteten, dass sie angeblich keine Anzeichen für eine Vergiftung feststellen konnten.[2] Sie gaben hingegen an, „dass der 44-Jährige [] an einer Stoffwechselerkrankung [leide].“[3] In anderen Berichten heißt es noch, dass Nawalny zusätzlich an einer Unterzuckerung litt.[4] Die Erklärungen der Ärzte in Omsk waren jedoch widersprüchlich und ließen schnell den Verdacht aufkommen, dass Nawalnys Überführung nach Deutschland so lange verzögert werden sollte, bis die Spuren des Giftes in seinem Körper nicht mehr nachweisbar waren. Bilder[5] und Videos[6] von Nawalny-Mitarbeitern und unabhängigen Journalisten zeigten Polizisten, mutmaßliche Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB und des Ermittlungskomitees, einer Präsident Putin unterstellten Ermittlungsbehörde, die in der Klinik Nawalnys Frau und seinen Mitarbeitern den Zugang zu ihm verwehrten. Der Chefarzt des Krankenhauses, Aleksandr Murachowskij, behauptete, dass Nawalny in Absprache mit den deutschen Ärzten noch weiter in Omsk behandelt werde, bis sich sein Zustand stabilisiert habe. Eine solche Absprache gab es jedoch nicht. Nach ersten Untersuchungen kamen die deutschen Ärzte zu dem Schluss, dass Nawalny sehr wohl transportfähig war. Nawalnys Anhänger wiesen zudem darauf hin, dass Chefarzt Murachowskij für die Kremlpartei „Einiges Russland“ Vertreter im Stadtparlament und Vizechef des Sozialausschusses ist, also genau derjenigen Partei angehört, deren Vertreter Nawalny immer wieder mit seinen Veröffentlichungen vorführt, indem er ihre Anwesen und Besitztümer zeigt und so die Korruption in Russland öffentlich macht. Andere Ärzte des Krankenhauses bezeichneten dagegen Nawalnys Zustand wiederholt als stabil, um dann wiederum zu erklären, der Patient sei nicht transportfähig. Der stellvertretende Chefarzt Anatolij Kalinitschenko sagte, dass Tests eindeutig ergeben hätten, Nawalny sei nicht vergiftet worden. Zuvor hatte jedoch ein Polizist im Zimmer des Chefarztes einem Mitarbeiter Nawalnys mitgeteilt, dass ein gefährlicher Stoff im Körper Nawalnys gefunden worden sei. Deshalb könnte dieser nicht ausgeflogen werden, alle müssten zudem Schutzkleidung tragen, um ihn besuchen zu können. Der Moskauer Kardiologe Jaroslaw Aschichmim, der Nawalny seit sieben Jahren behandelt, versicherte, dass Nawalny nicht an Diabetes litt und auch sonst gesund war.[7]
Am Abend des 21.08. wurde schließlich der Transport Nawalnys nach Deutschland erlaubt. Allerdings verzögerte sich der Abflug noch einmal um mehrere Stunden, da die russischen Behörden auf die Einhaltung gesetzlicher Ruhezeiten für die Piloten der Sondermaschine bestanden.[8] Am 22.08. wurde Nawalny schließlich auf Wunsch seiner Familie nach Berlin ausgeflogen und in der dortigen Charité behandelt. Der Flug nach Berlin wurde von Cinema for Peace, einer in Berlin ansässigen NGO organisiert und von dem russischen Unternehmer und Mäzen Boris Simin bezahlt.[9] Am 24.08. kamen die Ärzte in der Charité zu dem Schluss, dass Nawalnys Zustand wahrscheinlich auf eine „Substanz aus der Wirkstoffgruppe der Cholinesterase-Hemmer“[10] zurückzuführen sei. Dies hätten Tests in mehreren unabhängigen Labors ergeben. Die Ärzte im Omsker Krankenhaus gaben daraufhin an, Nawalny negativ auf Cholinesterasehemmer getestet zu haben. Am 02.09. verkündete die Bundesregierung, dass die Untersuchung von Proben in einem Speziallabor der Bundeswehr „zweifelsfrei“ ergeben habe, dass Nawalny mit Nowitschok vergiftet wurde. Am 07.09. meldeten schließlich die Ärzte der Charité, dass Nawalny wieder das Bewusstsein erlangt habe und auf Ansprachen reagiere. Welche Folgeschäden die Vergiftung ausgelöst habe, könne noch nicht gesagt werden.
2. Propaganda der russischen Regierung und ihrer Sprachrohre
Wie immer, wenn der russische Staat eines Verbrechens bezichtigt wird, reagierten der Kreml und seine staatlichen und substaatlichen Propagandafabriken mit der gezielten und systematischen Verbreitung von Desinformation. Das Drehbuch ist immer das Gleiche: Leugnen, scheinbar „logische“ Zweifel streuen und schließlich zum Gegenangriff übergehen. Mit den Mitteln der Lügen, Täuschungsmanöver und bewusst sich widersprechender Darstellungen wird versucht, den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu verwischen. Die Auffassung von politischen Ereignissen soll so zu einer Glaubensfrage gemacht werden. Nichts wird zutage gefördert, sondern die an sich klare Sache immer nur künstlich verwickelter gemacht und damit vernebelt. Diese seinerzeit als „ideologische Subversion“ bekannte Strategie hat der ehemalige KGB-Offizier für Auslandsspionage Putin, wie andere Methoden, direkt aus dem Handbuch des KGB übernommen. Zweck einer solchen Subversion ist es, die Wahrnehmung der Wirklichkeit trotz einer Fülle an Informationen und eindeutiger Faktenlage soweit zu verzerren, dass scheinbar keine vernünftigen Schlussfolgerungen mehr daraus gezogen werden können. Ganz in diesem Sinne ist es für die Absichten der Ideologen der herrschenden Klasse Russlands völlig ausreichend, wenn die Wahrheit zu einer möglichen Erzählung neben anderen degradiert wird.
Die Chefredakteurin des russischen Auslandspropagandasenders RT, Margarita Simonjan, formuliert dies so: „Ich weiß nicht, wer Navalny vergiftet hat oder ob er überhaupt vergiftet wurde. Es gibt nicht mehr Grund, den deutschen Sicherheitsdiensten zu glauben als jedem anderen. In Ermangelung unanfechtbarer Tatsachen wählt ein Mensch immer aus, wem er glaubt, allein aufgrund seiner eigenen Sympathien und Vorlieben.“[11] Simonjan hat neben ihrer Funktion als Propagandistin der russischen Despotie jedoch auch ganz private Gründe, den Unterschied zwischen einer Diktatur und einer bürgerlichen Demokratie nicht zu kennen und auf angeblich „unanfechtbaren Tatsachen“ zu bestehen, die als Lügen zu ehrenwehrten Wahrheiten erstarren sollen, damit die bestehenden Tatsachen zugunsten „alternativer Fakten“ relativiert und die tatsächliche Wahrheit geleugnet werden kann. Nawalny hatte im März 2020 auch gegen sie den Vorwurf der Korruption erhoben. Seinen Recherchen zufolge hatten Simonjan und ihr Ehemann Tigran Keosojan bei der Produktion einer billigen Propagandasendung in den RT-Studios für einen anderen mehrheitlich staatlichen Sender in den letzten drei Jahren gut zehn Millionen Euro in die eigene Tasche gesteckt.[12] Auf die Mitteilung der Charité, dass Nawalny zweifelsfrei mit einem Nowitschok-Nervenkampfstoff vergiftet worden sei, reagierte sie als eine der ersten und schrieb auf Twitter: „Als hätte sie irgendetwas anderes sagen können“. Damit deutete ausgerechnet die Chefin des Propagandasenders RT an, der Befund der Berliner Ärzte könnte politisch vorgegeben worden sein.[13]
Ein weiteres Ziel der putinistischen Propaganda ist die Ermüdung eines Teils der Öffentlichkeit. Indem immer neue Behauptungen gestreut werden, soll das tatsächliche Geschehen nicht nur unübersichtlich gemacht werden, sondern auch das Publikum durch eine Überfrachtung mit Fehlinformationen das Interesse am Geschehen verlieren. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte am 25.08. vor Journalisten, dass die Ärzte der Berliner Charité nichts anderes gesagt hätten als die Ärzte in Omsk.[14] Schon dies war eine offenkundige Lüge. Nach ersten Untersuchungen sprachen die Ärzte der Charité von Anzeichen einer Vergiftung, während die Ärzte in Omsk letztlich eine Vergiftung ausschlossen und eine Stoffwechselstörung und Unterzuckerung diagnostiziert hatten. Die Annahme, dass auf Nawalny ein Giftattentat verübt wurde, bezeichnete Peskow als „Lärm um nichts“. Für strafrechtliche Ermittlungen gäbe es keinen Graund, die toxische Substanz und die Vergiftung Nawalnys müssten bestätigt werden. Berlin, so hieß es in Umkehrung des Vorwurfes, müsse Beweise vorlegen.[15] Weiter sagte Peskow, dass der Kreml nicht verstehe, warum die deutschen Ärzte so eilig von einer Vergiftung ausgingen.[16]
Der russische Staat hat, wie bereits zuvor in Fällen vergifteter russischer Oppositioneller, etwa dem binnen 18 Monate zweimal vergifteten Journalisten Wladimir Kara-Mursa,[17] bis heute kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, obwohl das russische Gesetz dies vorsieht. Stattdessen reagierte er mit scheinbar infantilem Trotz auf die diesbezügliche Kritik aus dem Westen. So sagte der Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Propagandaagentur Tass zufolge, dass Russland nicht gefalle, wenn andere Länder ihm sagen, „welche rechtlichen Schritte wann und auf welcher rechtlichen Grundlage einzuleiten sind.“[18] Mittlerweile hat Moskau ein Rechtshilfegesuch an die Berliner Staatsanwaltschaft gestellt, dem diese, vernünftigerweise unter Vorbehalt der Zustimmung Nawalnys, nachzukommen bereit ist.[19] Zugleich bereitet das russische Innenministerium angeblich ein Gesuch vor, dass die russische Polizei den deutschen Ermittlern auf die Finger schauen und Nawalny „klärende Fragen“ stellen dürfe.[20] Diese Gesuche sind allerdings keinesfalls Resultate einer russischen Defensive, etwa aufgrund öffentlichen Drucks bzw. eines drohenden weiteren Gesichtsverlust des Kreml, um den sich dieser kaum scheren dürfte, sondern vielmehr Teil einer anlaufenden politischen, insbesondere propagandistischen Offensive des Putinismus gegen Deutschland und Nawalny. Die russische Forderung, im Fall Nawalny mitermitteln zu dürfen, kommt der Forderung des Kriminellen gleich, Einblick in die gegen ihn laufende Ermittlungsarbeit zu erhalten. Zugleich ist das Gesuch danach, einen direkten Zugang zu Nawalny zu bekommen, ein weiterer Einschüchterungsversuch und eine unverhohlene Drohung. Einerseits beharrt Deutschland daher zurecht darauf, einen Großteil der Ermittlungsakten geheim zu halten, um Russland nicht zu viel Einblick in die Ermittlung zu geben. Andererseits könnte diese Geheimhaltung auch dazu dienen, den außenpolitischen Schlingerkurs der Bundesregierung fortzuführen, da eine Veröffentlichung der vorläufigen Ermittlungsergebnisse womöglich zu öffentlichem Druck hin zu einer härteren Gangart der deutschen Außenpolitik gegenüber Russland führen könnte.
Die einsetzende putinistische Offensive beschränkte sich allerdings keineswegs auf die deutschen Ermittlungsarbeiten. In ihrem Zuge meldete sich Wjatscheslaw Wolodin[21], Duma-Vorsitzender der Partei „Einiges Russland“ zu Wort. Am 25.08. erklärte er, dass man nun überprüfen werde, ob nicht eine „Provokation“ Deutschlands und anderer EU-Staaten vorliege, um „neue Anschuldigungen gegen unser Land zu formulieren“. Er beauftragte das Komitee für Sicherheitsfragen und Korruptionsbekämpfung abzuklären, ob es sich um einen Versuch ausländischer Staaten handele, einen russischen Staatsbürger zu schädigen, mit dem Ziel, die Lage in Russland anzuheizen.[22]
In den überwiegend gleichgeschalteten russischen Medien wurde absichtlich wild über die Gründe für den Zustand Nawalnys spekuliert, während die eindeutigen Beweise für seine Vergiftung durch einen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe als „reine Spekulation“ abgetan wurden. Auch dies entspricht der russischen Propagandastrategie der Verwischung des Unterschieds zwischen Wahrheit und Lüge, Fakten und Spekulation, eindeutigen Informationen und Fehlinformationen. Mal hieß es, Ursache sei eine Lebensmittelvergiftung, dann wieder wurde die offizielle Version der Omsker Ärzte verbreitet. Andere behaupteten, Nawalny habe LSD genommen. Eine Ernährungsberaterin gab im russischen Auslandspropagandasender „RT“ (vormals Russia Today) zu bedenken, dass auch „einige Diäten“ zu einer „radikalen gesundheitlichen Verschlechterung“ führen könnten. Das regierungsnahe Boulevardblatt Moskowski Komsomolez, Russlands zweitgrößte Zeitung, veröffentlichte sogar ein Geheimdienstprotokoll über Nawalny, das die Unschuld der russischen Geheimdienste beweisen sollte. Tatsächlich zeigte es nur, wie lückenlos Nawalny auf seiner Sibirienreise vom FSB überwacht wurde. In einem regierungsnahen Telegram-Kanal tippte man auf einen schweren Kater. Nawalny hatte sich demzufolge ins Koma gesoffen.[23]
Die Verschwörungstheorie, wonach hinter dem Anschlag auf Nawalny „westliche Geheimdienste“ steckten, wurde unter anderem[24] in der Polit-Talkshow „Wremja pokaschet“ verbreitet.[25] „Wremja“ ist die quotenstärkste Nachrichtensendung des russischen Fernsehens. Sie wird täglich im staatlich kontrollierten „Ersten Kanal“ ausgestrahlt und von Pjotr Tolstoj moderiert. Tolstoj ist ebenfalls für die Partei „Einiges Russland“ Duma-Mitglied und stellvertretender Vorsitzender derselben. Zudem ist er seit Anfang des Jahres 2020 stellvertretender Vorsitzender der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg. Tolstoj verbreitet nicht nur regelmäßig Verschwörungstheorien, sondern ist auch durch antisemitische Äußerungen aufgefallen. Als 2017 die St. Isaak-Kathedrale an die russisch-orthodoxe Kirche übergeben wurde, bezeichnete Tolstoj die Gegner dieser Rückgabe als „Nachfahren jener, die 1917 aus den jüdischen Siedlungsgebieten mit einer Pistole in der Hand“ gekommen seien, um „unsere Kirchen zu zerstören“. „Heute arbeiten sie in Redaktionen und Parlamenten und führen die Sache ihrer Vorväter weiter“, führte Tolstoj weiter aus.[26] Hinter dem Bolschewismus steckt das Judentum – das ‚wusste‘ schon Hitler. Die Sendung Tolstojs ist eines der Hauptmittel des Putin-Regimes, um politisch gewünschte Positionen zu verbreiten. Die „Affäre Nawalny“ bezeichneten gleich mehrere Gäste der Sendung als „Spezialoperation westlicher Geheimdienste“. Warum nur werde einer Babuschka, die zu viel vom Fliegenpilz abgebissen habe, nicht auch so geholfen „wie irgendeinem Blogger?“. Die Antwort: „Sie [die westlichen Geheimdienste] werden aus diesem Typen einen alternativen Präsidenten kneten.“
Der Kreml hatte zuvor als Propaganda die Behauptung lanciert, dass Nawalny in Deutschland vergiftet worden sei. Der wahlfälschende Diktator Lukaschenko sprang auf den Zug auf und behauptete, wie der russische Propagandasender „Sputnik News“ am 03.09., „enthüllte“, dass die „radioelektronische Militäraufklärung“ seines Landes ein Telefongespräch zwischen Berlin und Warschau „abgefangen“ habe, das beweise, dass Nawalny einer Operation westlicher Spezialisten zum Opfer fiel. Der Kreml wird nun seinen Spaß daran haben, zuzuschauen, wer seiner Propagandaoffensive auf der „Linken“ aufsitzt und unterstützt. Dadurch dürfte nun aber auch noch für die letzten Zweifler deutlich werden, wo die „Linke“ außenpolitisch steht. Indem sie im Fall Nawalny auf offensichtliche Verschwörungstheorien zurückgreift, entlarvt sie sich selbst bis zur Kenntlichkeit als politischer Repräsentant der mit dem Putinismus außenpolitisch koalierenden Neuen Bourgeoisie – also der linken Konterrevolution, die von Linksradikalen gerne als angeblich „sozialdemokratisch“, aber gegenüber der rechten Konterrevolution „kleineres Übel“ propagiert wird. Dieser ist jedes Mittel recht, um die staatskapitalistische Despotie Russlands zu verteidigen und zugleich die alte Bourgeoisie des Westens, aufgrund ihres regressiven Antikapitalismus insbesondere die des am weitesten entwickelten kapitalistischen Landes der USA, zu schikanieren.
3. Die Verbreitung russischer Verschwörungstheorien durch führende Politiker der „Linken“
Auf der Linken wurden die vom russischen Propagandaapparat lancierten Verschwörungstheorien zum Teil begierig aufgegriffen, zum Teil erregten sie aber auch Abstoßen. Dass Linke noch jedem massenmörderischem Regime „Solidarität“ bekundeten, wenn es nur als „sozialistisch“ und „antiimperialistisch“, jedenfalls gegen den Hauptfeind USA auftrat, ist keineswegs neu. Auch nicht, dass westliche Linke sich bereitwillig zu Sprachrohren dieser Massenmörder machten. Beispielhaft ist hier an die Berichte im Westen über das massenmörderische Gulag-System zu erinnern, dessen Existenz von Linken bis zuletzt geleugnet wurde.[27]
Die Reaktionen von Politikern der „Linken“ auf den Mordversuch an Nawalny werfen ein grelles Licht auf die Absichten der Neuen Bourgeoisie. So verbreitete etwa der letzte Vorsitzende der SED und derzeitiger außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Gregor Gysi, die vom Kreml gestreute Verschwörungstheorie, dass nicht das Putin-Regime hinter dem Mordversuch an Nawalny stecke, sondern aufgrund ihrer Gegnerschaft zu Nord Stream 2 die Amerikaner und insbesondere Donald Trump. Am 03.09.2020 sagte dieser Wicht auf einer Wahlkampfveranstaltung der „Linken“ in Bochum: „Der Putin muss doch bescheuert sein, wenn er sowas macht. Er weiß doch, dass das die Beziehungen zum Westen noch mehr verschlechtert.“[28] Damit deckte dieser Anwalt Putins die verhinderten Mörder Nawalnys und griff die Politiker der westlichen Bourgeoisie an, die ihre politische Opposition im Unterschied zu den mafiösen Kartellen in staatskapitalistischen Despotien wie Russland nicht am laufenden Band ermordet. Da eine Verschwörungstheorie selten allein kommt, hatte dieser Stiefellecker Putins auf besagter Veranstaltung gleich eine weitere Erklärung parat: Es könne anstatt Trump auch ein außer Kontrolle geratener Geheimdienstler sein, denn der wisse ja, dass wenn er einen solchen Mord an einen Oppositionellen begeht, es der russischen Regierung in die Schuhe geschoben werden würde. In der Talkshow von Maybrit Illner am 10. September machte Gysi unverblümt mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien weiter und versuchte, ganz entsprechend der russischen Propagandastrategie, mit allerlei spekulativen Fragen Zweifel daran zu säen, dass hinter dem Mordanschlag auf Nawalny der Kreml steckt: Stecken nicht vielleicht Gegner von Nord Stream 2 dahinter, lebe nicht einer der Entwickler von Nowitschok mittlerweile in den USA und warum solle der russische Geheimdienst überhaupt ein Nervengift benutzen, das allgemein mit Russland in Verbindung gebracht werde? Dabei berief sich dieser Wahnwichtel in der für Verschwörungstheoretiker typischen Pseudo-Naivität darauf, dass er „ja nur Fragen stellen“[29] wolle. Gysi erwies sich damit erneut als das konterrevolutionäre Schwein, das er schon immer war.
Gysi trat nicht nur mit der lächerlichen Behauptung auf, dass der Kreml kein Interesse an der Ermordung Nawalnys gehabt haben könnte, weil die Reaktionen des Westens vorhersehbar gewesen wären, sondern verbreitete eine lupenreine Verschwörungstheorie. Die ganze Wucht seiner Argumentation beruht auf dem typisch verschwörungstheoretischen „Cui bono?“, nämlich einem „die USA profitieren wirtschaftlich, wenn…“.[30] Doch auch schon die erste Behauptung ist offensichtlich falsch. In der Vergangenheit haben Mordaktionen russischer Geheimdienste in ganz Europa nicht zu schmerzhaften Reaktionen seitens der europäischen Länder geführt. Auf den Mordversuch an Sergej Skripal und seiner Tochter in Salisbury, bei dem mitten in einer englischen Kleinstadt ein militärischer Nervenkampfstoff eingesetzt wurde, an dem später nicht nur eine zufällig mit dem Gift in Kontakt gekommene britische Bürgerin verstarb, sondern auch die GRU-Agenten, die die Mordaktion durchführten, identifiziert werden konnten, führte zu kaum mehr als zu Protestnoten und Ausweisung einiger russischer Diplomaten. Auch die vom russischen Geheimdienst FSB unterstützte Ermordung des tschetschenischen Oppositionellen Seliman Changoschwili am 23. August 2019 im Berliner Tiergarten – diesmal war das Opfer ein ‚Islamnazi‘ – durch den Kreml-Auftragskiller Vladim Krasikow führte nicht zu Sanktionen seitens der Bundesregierung. Nach der Ausweisung einiger russischer ‚Diplomaten‘ wurden die guten deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen weiter gepflegt.

Gysi gilt bis heute vielen als ein „Vernünftiger“ und „Gewandelter“ in der „Linken“, da er sich in Bezug auf die DDR gerne ‚geläutert‘ gibt, obwohl er bis heute nicht von einem „Unrechtsstaat“ sprechen will. Er ist keinesfalls der einzige führende „Linken“-Politiker, der in Bezug auf den Mordanschlag auf Nawalny antiwestliche, insbesondere antiamerikanische Verschwörungstheorien verbreitet. Sevim Dağdelen, Bundestagsabgeordnete der „Linken“ und Wagenknecht-Vertraute, sprang ihm bei: „Die Eskalationspolitik und der Konfrontationskurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel sind verheerend – das dürfen wir nicht zulassen!“[31] Ziel des Mordversuches sei nicht Nawalny, sondern die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gewesen. Immerhin kommt nun nicht nur der offene Irrationalismus der „Linken“ zum Vorschein, sondern auch ihre Hauptsorge: Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Ein Politiker der FDP hätte es nicht besser ausdrücken können. Allerdings: Wo blieb der Aufschrei derer, die sonst jeden Tag feststellen, dass „unser Wirtschaftssystem über Leichen geht“? Damit, dass sich die Bundesrepublik mit ihren Wirtschaftsbeziehungen zu Russland abhängig von Gaslieferungen eines despotischen Mafiastaates macht, das seine Gegner offen und ungehemmt in aller Welt ermorden lässt wie einst die Sowjetunion, scheint die „Linke“ zumindest kein Problem zu haben.
Am 06.09. wiederholte Dağdelen bei Anne Will schließlich den verrückten Wunsch, dass die russische Justiz den Fall untersuchen solle – ganz so, als ob es in Russland eine unabhängige Justiz gäbe und sich in der Vergangenheit nicht bereits gezeigt hätte, dass die russische Justiz widerrechtlich keinerlei Untersuchungen zu Angriffen und Attentaten auf Oppositionelle einleitet. Warum auch sollte die russische Justiz Ermittlungen im Fall des Mordversuches an Nawalny aufnehmen, wo dieser doch den unter Anleitung des FSB praktizierenden Omsker Ärzten zufolge bloß an einer „Stoffwechselerkrankung“ erkrankt sei? Wo die Justiz nicht unabhängig, sondern politisch ist, da werden auch Wissenschaften wie die Medizin und gesellschaftliche Bereiche wie das Gesundheitssystem instrumentalisiert, um keinerlei rechtliche Schritte einleiten zu müssen, die das bestehende politische System gefährden.
4. Whataboutism als pro-putinistisches Ablenkungsmanöver von „Linken“-Politikern
Oskar Lafontaine, den die „Junge Welt“ bisher trotz seiner Hetze gegen „Fremdarbeiter“[32] nicht in ihrer Rubrik „Antifa“ als „radikale[n] Nationalist[en] und rassistische[n] Hetzer“ bezeichnet hat, versuchte es mit einer Mischung aus Whataboutism und der Behauptung, dass es keine Beweise für die Mitverantwortung der russischen Regierung gäbe. Bei Facebook fragte er auf der Seite von „Aufstehen“ unter der Überschrift „Erbärmliche Heuchelei“: „Aber ist die Bundesregierung moralisch berechtigt, solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen? Eine Regierung, die sich selbst an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt, in denen viele Tausende Menschen grausam ums Leben kommen? Eine Regierung, die zulässt, dass der US-Drohnenkrieg von deutschem Boden aus geführt wird? Ist der Tod eines Kindes, das von US-Drohnen zerfetzt wird, nicht auch ein Verbrechen? Wird ab jetzt jeden Tag der US-Botschafter einbestellt? Wird die EU Sanktionen beschließen, um die täglichen Verbrechen der US-Oligarchie zu ahnden?“[33] Die Vergiftung Nawalnys sei zwar ein Verbrechen. „Aber die Empörung der US-Vasallen in den europäischen Metropolen ist feige, erbärmliche Heuchelei.“
Indem Lafontaine eine Reihe aufmacht von „durch US-Drohnen zerfetzten Kindern“, die er unter der Hand mit der absichtlichen Vergiftung Nawalnys gleichsetzt, den USA also indirekt unterstellt, absichtlich „Kinder zu zerfetzen“, „völkerrechtswidrigen Kriegen“ und der „US-Oligarchie“, bedient er ganz bewusst das antisemitische Bild von geldgierigen Kindermörder und Weltenbrandstifter. Die Nähe zur QAnon-Verschwörungstheorie ist kein Zufall. Dass Lafontaines vermeintliche moralische Erhabenheit ein billiger Trick ist, zeigt sich im letzten Absatz seiner Auslassungen. Zunächst behauptet er wieder eine Verschwörung: „Die führenden Politiker und Medien sind auf Konfrontation aus und die Eskalation und Feindseligkeiten zwischen dem Westen und Russland aber auch China wachsen unentwegt. Daher ist es höchste Zeit für Neubesinnung auf Entspannung und friedliche Zusammenarbeit.“ Einen Krieg wollten also „führende Politiker und Medien [?]“ des sich angeblich in einer geopolitischen Offensive befindenden aggressiven Westens, aber nicht staatskapitalistische Despotien wie Russland und China, die sich und ihre Interessen – so wird etwa in dem von „Aufstehen“ fortwährend kolportieren Mythos von der „Einkreisung“ Russlands durch die NATO behauptet – lediglich defensiv verteidigen. Dies erklärt auch, warum Friedensfreund Lafontaine zu jedem Verbrechen Russlands und des Assad-Regimes in Syrien schweigt.[34] Dass das putinistische Regime seine Kritiker und Gegner sowohl im Inland als auch im Ausland ermorden lässt, als Schutzmacht des Assad-Regimes in Syrien gezielt Zivilisten bombardiert, einen Teil Georgiens besetzt hält und die Krim annektiert hat, mit seinen Söldnern in Ländern wie Libyen und womöglich auch Venezuela paramilitärisch agiert usw. spielt für den feigen, erbärmlichen Heuchler Lafontaine offenbar keine Rolle.
In dieselbe Kerbe wie Lafontaine schlug die von ihm geehelichte ehemalige Fraktionschefin der „Linken“, Sahra Wagenknecht. Wie die einstigen führenden Kader der stalinisierten KPD, welche die Moskauer Schauprozesse rechtfertigten, versuchte sie, von Russland abzulenken, indem sie vor „Heuchelei“ „warnte“ und moralinsauer auf Saudi Arabien verwies: „Aber selbst wenn der Kreml dafür verantwortlich sein sollte (wofür es bisher keine Belege gibt), ist es auch nicht abscheulicher, als Oppositionelle zu köpfen oder zu Tode zu peitschen, wie es in Saudi-Arabien, von dem wir Öl beziehen, gängige Praxis ist.“[35] Nicht nur käute diese Lady MacBeth der Neuen Bourgeoisie die russische Propaganda wieder, dass es keine Belege für den Kreml als Urheber des Attentats auf Nawalny gebe, sondern sie griff zugleich in einem ebenso billigen wie durchschaubaren Whataboutism Saudi-Arabien an. Vertretern der Neuen Bourgeoisie wie dem Ehepaar Lafontaine und Wagenknecht ist ihre juristische Ideologie, mit der sie die von ihnen angestrebte manipulative Ummodelung der Wirklichkeit zu rechtfertigen suchen, offenbar zu Kopf gestiegen: als könnten in der internationalen Politik und gegenüber Staaten dieselben Regeln angebracht werden, die zu Recht lediglich im Verhältnis des Staates zu seinen relativ schutzlosen Bürgern gelten. Ansonsten aber scheint Wagenknecht stets das Wüste schön zu finden und schön, wo es wüst zugeht. Denn kein Wort hat sie jemals über das Vorgehen der islamfaschistischen Diktatur des Iran, der Hamas im Gazastreifen, der Hisbollah im Libanon oder aber jüngst der Schergen Lukaschenkos in Belarus gegen Oppositionelle verloren. Wie eine Verschwörungstheorie kommt also auch die doppelte Lüge der Heuchelei nur selten allein – insbesondere bei Ehepartnern.
In dasselbe Horn wie dieses „Linken“-Ehepaar stößt auch die AfD, laut der die „deutsche Energiesicherheit“ durch Russland nicht gefährdet, sondern gesichert werden solle. Dies ist kein Zufall, sondern vielmehr paktieren beide Parteien außenpolitisch mit dem Putinismus und stellen in Deutschland umgekehrt seine roten und blauen Helfer dar, die im geopolitischen Interesse des Kreml an der Destabilisierung Europas arbeiten. Wie die „Linke“ streute daher auch die AfD Zweifel daran, dass der Kreml verantwortlich für den Mordanschlag auf Nawalny sei – denn schließlich habe dieser auch „außerhalb des Kremls“ Gegner. Deshalb solle die Bundesregierung „mit Augenmaß“ vorgehen, also eine Appeasement-Politik gegenüber dem russischen Regime betreiben. Der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Paul Hampel – der Name ist Programm –, hielt im Unterschied zu Gysi zwar Spekulationen über den Fall für „unangemessen“, aber wurde doch darüber stutzig, warum Nawalny „just in dem Augenblick fotografiert wurde, als er den angeblichen ‚Gift-Tee‘ auf dem Flughafen von Tomsk zu sich nahm.““[36] Der mutige Fragensteller Gysi dürfte traurig darüber gewesen sein, dass er nicht vor dem Hampel auf diese grandiose Frage gekommen ist.
5. Faschismusvorwürfe als Teil der putinistischen Propagandastrategie
Ein integraler Teil der putinistischen Propagandastrategie besteht darin, alle gegen die Interessen des Kremls und den amtierenden Zaren agierenden Personen oder Bewegungen als „faschistisch“ zu denunzieren, um ihre Ermordung und Unterdrückung als „irgendwie“ gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Auch diese Denunziation entstammt direkt der einstigen stalinistischen Propagandastrategie, die bekanntlich jeden mit dem Faschismus-„Label“ versah, der auch nur ansatzweise gegen die sowjetische Diktatur über das Proletariat opponierte. Als pro-europäische Demonstranten, unter ihnen auch Neofaschisten, ab 2013 auf dem Maidan in der Ukraine gegen das korrupte Regime des von Russland gestützten Präsidenten Viktor Janukowitsch demonstrierten, verunglimpfte der Kreml in einer falschen Verallgemeinerung die gesamte, weitgehend demokratische Bewegung als „faschistisch“ und annektierte unter dem Vorwand einer „faschistischen Gefahr“ für Russland völkerrechtswidrig die Krim.
Auch Nawalny wird, ganz im Stil der alten KP-Propganda, als Faschist oder Rechter oder Nationalist oder Rassist usw. bezeichnet. Dies von Leuten, die nie wagten, ähnliches über Putin zu sagen, auf den all das auch zutrifft. Ganz im Gegensatz zu Putin, der gerne gegen die „gay lobby“ hetzt, ist Nawalny immerhin der einzige russische Politiker, der die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften befürwortet. Dennoch wird er etwa vom trotzkistischen „Internationalen Komitee der Vierten Internationale“, deren Vorgänger noch vom Stalinismus selbst als „Faschisten“ denunziert worden waren, als „frustrierter Unternehmer und Aktionär mit deutlich faschistischen Ansichten“[37] attackiert. Ebenso hetzte die österreichische, marxistisch-leninistische „Partei der Arbeit“, welche direkt die russische Propaganda von einer „Stoffwechselerkrankung“ Nawalnys übernahm, aufgrund seiner angeblichen „Faschistenkooperation“[38] gegen ihn.
Die „Hintergrundberichte“ über Nawalny, die das Opfer eines Attentats persönlich delegitimieren sollen, sind allerdings ebenfalls nicht überraschend. Gleichzeitig leugnet die putinistische Propaganda andauernd, dass der russische Staat die Verbrechen an Oppositionellen angeordnet oder begangen hat. So wurde in der „Junge Welt“, dem sich seit Jahr und Tag über „obszönen Reichtum“ empörenden Blättchen einstiger Stasi-Kader, Nawalny in einem Artikel mit dem Titel „Sauberes Früchtchen“ als „radikaler Nationalist und rassistischer Hetzer“[39] bezeichnet – also gerade die Person persönlich verunglimpt, der mit seinen Recherchen und Veröffentlichungen den sagenhaften Reichtum, den „Putin‘s people“[40] in „Putin’s Kleptocracy“[41] angehäuft und den sie der Ausplünderung der russischen Bevölkerung zu verdanken haben, aufgedeckt und diesen damit ein klares Motiv für seine Ermordung gegeben hatte. Die künstliche Empörung des einstigen Zentralorgans der FDJ, das für seine antisemitischen Ressentiments und seine antizionistische Hetze gegen Israel bekannt ist, macht also an den Grenzen des putinistischen Regimes halt.
Zugleicht raunte der Autor des Hetzartikels gegen Nawalny, Reinhard Lauterbach, dass „Korruptionskritik“ stets „affirmativ“ sei, jedoch „gegen amtierende Machthaber radikal werden kann“. Richtig ist, dass Korruptionskritik überall dort, wo eine Neue Bourgeoisie mit der Staatsmacht zugleich die ökonomische Macht monopolisiert hat, revolutionär ist. Zum Schluss des Artikels deutete Lauterbach an, dass Nawalny in den USA zum Agenten gegen Russland ausgebildet wurde: „Womöglich war es also sein Aufenthalt in den USA, der Nawalny seine »Wende« zum »Korruptionsbekämpfer« nahelegte.“ Am Ende des Artikels ist Nawalny nur noch ein Korruptionsbekämpfer in Anführungszeichen, tatsächlich aber Teil einer angeblichen US-amerikanischen „Verschwörung“ gegen Russland.
6. Die nackte Wahrheit vor den verkleideten Lügen
Die putinistische Propaganda und ihrer Schützenhelfer in Deutschland blamieren sich, trotz aller Bemühungen, letztlich an der Wirklichkeit. Das im Fall von Nawalny verwendete Gift stellte laut dem BND eine neuartige Weiterentwicklung von bisher bekannten Zusammensetzungen des Nervenkampfstoffs Nowitschok dar, die noch „härter“ sei als die bisherigen: Sie wirke tödlicher, aber langsamer.[42] Aufgrund dieser Neuartigkeit ist der Einsatz des weiterentwickelten, bei Nawalny eingesetzten Nervengifts aus der Nowitschok-Gruppe nur staatlichen Stellen in Russland möglich. Das heißt, eine staatliche Stelle muss den Mordanschlag auf Nawalny angeordnet und nur ein russischer Geheimdienst kann ihn durchgeführt haben. Entweder hat Putin seinen eigenen Staatsapparat nicht im Griff, was zweifellos Unsinn ist, oder er hat diesen Anschlag angeordnet bzw. mindestens abgenickt. Der Versuch der russischen Regierung, den Mordversuch zu vertuschen, die entschlossene Feststellung, dass kein Verbrechen stattgefunden habe und vor allem die Offensive einer immensen Propagandakampagne ist ein starkes Indiz dafür, dass der Kreml diesen Anschlag entweder direkt angeordnet oder aber er von einem Mann Putins begangen wurde, der aufgrund seiner „Systemrelevanz“ nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann.[43]
Doch im Widerspruch zu diesem Indiz wird von den Propagandisten des Putinismus in Deutschland behauptet, dass die russischen Dienste nicht so dilettantisch vorgehen würden, wie es im Fall Nawalnys geschehen sei – wenn sie ihn also, so die verquere „Logik“, tatsächlich hätten ermorden wollen, dann wäre er bereits tot. Dieses „Argument“ teleologisiert zum einen, wie es für die Fürsprecher der neobourgeoissozialistischen Manipulation der Wirklichkeit gängig ist, die in dieser Wirklichkeit stets kausal stattfindenden Entwicklungen und sieht von der Rolle des Zufalls ab – ganz so, als könnten die Mörderschergen des russischen Regimes jeden Mordanschlag beliebig, also unabhängig von dem Handeln anderer Menschen und zufälligen Faktoren mit absoluter Sicherheit durchführen. Von Plänen, „die verfehlt zurückgefallen auf der Erfinder Haupt“, scheinen die Herren Doktoren und Anwälte der Konterrevolution nichts zu wissen. Zum anderen hat Nowitschok die Eigenart, bei hoher Dosierung zwar sofort tödlich, dafür aber auch sehr lange nachweisbar zu sein. Geringere Dosen hingegen töten und sind bald nicht mehr nachweisbar. Daher erklärt sich auch die Verzögerung der Ausreise Nawalnys nach Deutschland. Offenbar hatten die Verantwortlichen der Tat nicht damit gerechnet, dass Deutschland ein Flugzeug schickt. So wurden sie unter Zugzwang gesetzt, Ausfliegen lassen oder noch deutlicher als Täter dazustehen – wobei das Ausfliegen auch noch den Vorteil hatte, im Nachhinein zu einer Großzügigkeit und zu einem Beweis der angeblichen Unschuld umgelogen werden zu können. Eventuell wurden sie auch von den Analysefähigkeiten des Bundeswehrlabors überrascht. Dabei hätte eine Notlandung in Omsk gar nicht stattfinden sollen. Hinzu kam, dass der Notarzt am Flughafen und die Ärzte im Krankenhaus, bevor sie dem Kommando des FSB unterstellt worden und sich revidieren mussten, sofort die richtige Diagnose stellten und das richtige Medikament verabreichten.
Zudem hat der russische FSB Nawalny auf Schritt und Tritt in Sibiren, wo es seit Monaten Massenproteste gegen das Putin-Regime gibt, überwacht. Wenn plötzlich russische Regime-Politiker und ihre Staatsmedien behaupten, es wäre eine deutsche oder amerikanische Aktion gewesen, so handelt es sich in der Tat um eine Ungereimtheit. Aber eben nicht eine der deutschen Anklage, sondern eine von Gysis Verteidigung des russischen Geheimdienst- und Mafia-Staates. Außerdem hat das Putin-Regime für den Mordversuch an Nawalny sehr wohl ein Motiv, das dem ehemaligen SED-Kader Gysi auch durchaus bekannt sein dürfte: die Proteste in Russland und Belarus, die sich verschlechternde ökonomische Lage in Russland bei gleichzeitiger Enthüllung des zusammengeraubten und -gemordeten Reichtums des Putin-Regimes, stellen eine existentielle Bedrohung für dieses dar. Wirtschaftssanktionen sind dagegen, verglichen mit dem Sturz des Systems, auf jeden Fall ein zu vernachlässigendes Übel. Sanktionen, gar die Einstellung von Nord Stream 2 wären dann als Kriegskosten des Putin-Regimes im Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu betrachten. Ob Nawalny stirbt und das „Problem“ beseitigt ist oder schwerverletzt überlebt, die Drohung gegenüber der Opposition wäre in jedem Fall ein Motiv. „Es ist natürlich psychologisch schwer, sich einzugestehen, dass der eigene Präsident einen solchen Anschlag anordnen kann“, sagt etwa der Moskauer Politikberater Abbas Galljamow, der vor über zehn Jahren für Wladimir Putin als Redenschreiber arbeitete. Tatsächlich jedoch habe der Kreml laut Galljamow sehr wohl ein Motiv gehabt, Nawalny auszuschalten: „In einem Jahr finden in Russland Duma-Wahlen statt, und die Umfragewerte für die Regierungspartei Einiges Russland sind im Keller.“[44]
Vor allem aber reiht sich der Mordanschlag auf Nawalny in eine lange Reihe von Anschlägen und Ermordungen russischer Oppositioneller ein. Die Ermordung oppositioneller Journalisten und Politiker findet in Russland wie am Fließband statt. Allein in den letzten Jahren fielen mehrere dutzend Personen Mordversuchen durch den russischen Mafiastaat zum Opfer, so neben dem bereits genannten Skripal und Mursa unter anderem der 2018 mutmaßlich von einem russischen Geheimdienst vergiftete und ebenfalls in der Berliner Charité behandelte Pussy-Riot-Aktivist Pjotr Wersilow; der 2006 einem Giftangriff mit Polonium im Londoner Exil zum Opfer gefallene frühere FSB-Offizier und Oppositionelle Alexander Litwinenko; der ebenfalls im einstigen Exil in Großbritannien lebende und 2012 vermutlich durch Gift ermordete Whistleblowers Alexander Perepilichny; die Menschenrechtsanwältin Karina Maskalenko, die 2008 mit Quecksilber in Kontakt kam , das von ihrem Mann in ihrem Auto gefunden wurde; der über Korruption in Russland berichtende und am 9. März 2017 mit tödlichen Folgen verprügelte Sankt Petersburger Journalist Nikolay Andrushchenko; der nicht zufälligerweise am selben Datum ebenso zu Tode geprügelte regierungskritische Journalist Yevgeny Khamaganov; und schließlich die russisch-amerikanische Investigativ-Journalistin Anna Politkowskaja, die als Reporterin bei der „Nowaja Gaseta“ arbeitete und am 7. Oktober 2007, sozusagen als „Geschenk“ für Putin zum Geburtstag, im Aufzug ihres Wohnhauses mit einer Makarow regelrecht hingerichtet wurde. Drei Jahre zuvor, im September 2004, hatte es bereits einen Giftanschlag auf die Reporterin gegeben, nachdem sie über Kriegsverbrechen der russischen Armee in Tschetschenien berichtet hatte. Politkowskaja befand sich – wie Nawalny – an Bord eines Flugzeugs, als sie sich plötzlich schlecht fühlte und bewusstlos wurde. Sie wurde mit der Diagnose „Vergiftung mit unbekannten Toxinen“ in Rostow am Don ins Krankenhaus eingeliefert.[45]
7. Grundlagen linker Verschwörungstheorien
Der ideologische Irrationalismus nimmt in den letzten Jahren rapide zu, was sich nicht zuletzt in einem massiven Aufschwung von Verschwörungstheorien zeigt. Die seinsmäßige Grundlage dieser Entwicklung besteht vorrangig darin, dass die der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zugrundeliegenden Zwecksetzungen durch die zunehmende Ausdifferenzierung dieser Arbeitsteilung, die mit dem gegenwärtigen hohen Entwicklungsgrad der kapitalistischen Gesellschaftsformation einhergeht, immer komplexer vermittelt werden. Immer öfter geht es bei diesen Setzungen um die Beeinflussung anderer Menschen, die allerdings aufgrund ihres eigenen Willens und Bewusstseins als Mittel zur Verwirklichung bestimmter Zwecke relativ unberechenbar sind. Die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit findet daher zunehmend weiter entfernt von der Vermittlung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur statt, wie sie im unmittelbaren Produktionsprozess vollzogen wird. In der Folge nimmt auch der spontane Materialismus des Alltagslebens tendenziell ab, wodurch ein gewisser Verlust an Realitätserfahrung entsteht. Die damit einhergehende Zunahme eines Ausbleibens angemessener Realitätsprüfungen begünstigt einen vermehrten Realitätsverlust der Menschen, der sie für irrationalistische Weltanschauungen wie Verschwörungstheorien anfällig macht.[46]
Doch auch wenn sich Verschwörungstheorien in den letzten Jahren in einem immensen Aufwind befinden, ist der Glaube an Verschwörungen und der bewusste Einsatz von Verschwörungstheorien seitens der Linken und ihrer Anhängsel keineswegs neu. Grundlage dieses Denkens sind zum Ersten die historischen Existenzbedingungen der Neuen Bourgeoisie als Klasse an der Macht in den einstigen sogenannten „realsozialistischen“ Ländern und als Bewegung und zum Zweiten die Entstellungen und Verdrehungen, welche die originäre Kritik der politischen Ökonomie und materialistische Geschichtsauffassung der „Partei Marx“ durch die Ideologie der Neuen Bourgeoisie auf marxistischer Grundlage erfahren hat. Entscheidend war hierbei vor allem die ideologische Auslöschung bzw. Leugnung der Naturwüchsigkeit der ökonomischen Gesetze und Reichtumsformen der kapitalistischen Produktionsweise, sodass diese Gesetze als von der neuen herrschenden Klasse durch einen „Primat der Politik“ lenkbar und jene Formen als bloße Steuerungsinstrumente dieser Lenkung erschienen. Dementsprechend wurde im Marxismus und Marxismus-Leninismus davon ausgegangen, dass die Verstaatlichung der gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel bereits die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise bedeute, da sich die fälschlicherweise transhistorisierten Gesetze dieser Produktionsweise, wie etwa das Wertgesetz, vom „sozialistischen Staat“ bzw. „Staat des Proletariats“ rational und wissenschaftlich „anwenden“ ließen. Dabei wurde vom naturwüchsigen Charakter dieser Gesetze abgesehen, der mit der Verstaatlichung der Produktionsbedingung keinesfalls aufgehoben wird, sondern lediglich eine andere Bewegungsform erhält.
Es handelt sich bei der Ideologie der Neuen Bourgeoisie demgemäß um eine verballhornte Version der materialistischen Geschichtsauffassung, wonach der Marxist bereits stets vorher weiß, was „geschehen muss“ und dogmatisch „wirtschaftliche Ursachen“ und – auf der Grundlage einer angeblichen Verschmelzung von Wirtschaft, Politik und Staat – auch politische Ziele für jedes Ereignis ausfindig machen und verteidigen muss. Erklärungslücken werden dann immer durch den Verweis auf noch unaufgedeckte Machenschaften „des Kapitals“ und seiner Marionetten durch Spekulation geschlossen. Die Verschwörungstheorie, dass hinter dem Attentat auf Nawalny die Gegner von Nord Stream 2 stecken würden, knüpft genau an diesen zur Glaubensfrage mutierten Materialismus an. Die entscheidende ideologiegeschichtliche Voraussetzung für das verschwörungstheoretische Denken der Neuen Bourgeoisie war die Weiterentwicklung des Marxismus bzw. Marxismus-Leninismus in der Sowjetunion zu einer Ideologie, die immer offener behauptete, dass die „herrschende Klasse“ der „imperialistischen Länder“ des Westens angeblich in Hinterzimmern das Weltgeschehen lenke. Diese bereits ihrer grundlegenden Struktur nach antisemitische Interpretation der modernen, sachlich vermittelten Herrschaft von Menschen über Menschen in der kapitalistischen Produktionsweise führte auch zu einer zunehmenden Durchdringung des Marxismus-Leninismus als Herrschaftsideologie der Sowjetunion mit manifesten antisemitischen Ideologieversatzstücken, was letztlich in einem subtilen bis offenen staatlichen Antisemitismus gipfelte.
Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die antisemitische Politik der KPdSU eine neue Qualität, als im Rahmen der sich entwickelnden Blockkonfrontation und des damit einhergehenden „Kalten Krieges“ in altbekannter zaristischer Tradition Juden als „innere Feinde“ ausgemacht wurden, welche angeblich die „5. Kolonne“ des „feindlichen Auslandes“ darstellten. Diese antisemitische Politik gipfelte schließlich in der staatlichen Kampagne gegen den sogenannten „heimatlosen Kosmopolitismus“, eine kryptoantisemitische Chiffre für das „Weltjudentum“, und die sogenannte „Ärzteverschwörung“, durch deren „Aufdeckung“ zahlreiche Mediziner vor allem jüdischer Herkunft aufgrund eines angeblichen Komplotts zur Ermordung der Führungsriege der Sowjetunion, einschließlich Stalins, verurteilt und hingerichtet wurden.
Der Irrationalismus, der sich in den zunächst latenten und dann immer offeneren verschwörungstheoretischen Elementen des Marxismus-Leninismus ausdrückte, wird auch in der neobourgeoisozialistischen Ideologie tradiert, die wie üblich auch angesichts des Attentates auf Nawalny behauptet, dass wir letztlich „nichts genaues“ nicht wissen – und auch nie wissen werden. Dieser Irrationalismus, der auf die „Zerstörung der Vernunft“ (Lukács) abzielt, ist eine Widerspiegelung des Klassenkampfes der linken und rechten Konterrevolution gegen die privatkapitalistische Produktionsweise und ihres liberal-demokratischen Überbaus, die den besten Boden für den proletarischen Klassenkampf und eine moderne kommunistische Revolution bieten. Er ergreift auf dem Gebiet der Ideologie, in der sich die Menschen ihrer gesellschaftlichen Konflikte bewusst werden und diese ausfechten, Partei gegen die Gesellschaftsformation, die historisch betrachtet die fortschrittlichste ist, und stellt sich damit objektiv wie subjektiv auf den Standpunkt der Reaktion. Die Bekämpfung und das Zurückschlagen dieses Irrationalismus liegt daher nicht nur im Interesse der Erhaltung der zivilisatorischen Mindestbedingungen für eine moderne kommunistische Revolution, sondern auch unmittelbar im Interesse der Arbeiterklasse und ihres Kampfes – auch und gerade in revolutionärer Perspektive.
[1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/alexej-nawalny-sollte-im-flugzeug-sterben-neue-ermittlungsergebnisse-a-48de45f2-6335-4606-bb7f-2e9fc98f1e75.
[2] https://www.nzz.ch/international/nawalny-russische-aerzte-vermuteten-von-anfang-an-eine-vergiftung-ld.1575729.
[3] https://www.tagesschau.de/inland/nawalny-287.html.
[4] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-die-kreml-maer-vom-komplott-des-westens-a-656101e7-e6fd-40be-9e9e-cb7bc3facc58.
[5] https://twitter.com/IoannZH/status/1296773685714485248?s=20.
[6] https://twitter.com/Kira_Yarmysh/status/1296796346419118081?s=20.
[7] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-verdaechtiges-taktieren-in-omsk-a-648216ca-6dd7-4d41-b16e-0758c84c292e sowie https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-fragwuerdige-diagnosen-1.5006237.
[8] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-abflug-nach-deutschland-verzoegert-sich-a-a090c2fc-ed0d-427d-9cf3-bf04e7f13678.
[9] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-kreml-nahe-zeitung-veroeffentlicht-details-zur-ueberwachung-a-68ea1338-9668-4809-bf4a-e7588280d156.
[10] https://www.tagesschau.de/inland/cholinesterase-hemmer-101.html.
[11] https://twitter.com/M_Simonyan/status/1301204883173974018.
[12] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/margarita-simonjan-putins-chefpropagandistin-unter-korruptionsverdacht/25648058.html.
[13] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-die-kreml-maer-vom-komplott-des-westens-a-656101e7-e6fd-40be-9e9e-cb7bc3facc58.
[14] https://taz.de/Russlands-Reaktion-auf-Nawalny-Diagnose/!5704299/.
[15] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-die-kreml-maer-vom-komplott-des-westens-a-656101e7-e6fd-40be-9e9e-cb7bc3facc58.
[16] https://www.tagesschau.de/ausland/nawalny-medien-russland-101.html.
[17] https://www.tagesspiegel.de/politik/der-russische-oppositionelle-wladimir-kara-mursa-solange-putin-an-der-macht-ist-wird-es-keine-ermittlungen-im-fall-nawalny-geben/26165956.html.
[18] https://www.tagesschau.de/inland/nawalny-befragung-105.html.
[19] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-berliner-ermittler-sollen-russland-rechtshilfe-leisten-a-e43787f5-b89d-49ef-8db5-2f7fd90a12a0.
[20] https://www.tagesschau.de/inland/nawalny-befragung-101.html.
[21] Wolodin und Tolstoj empfingen im Februar 2017 eine AfD-Delegation, damals noch unter Leitung von Frauke Petry. „Nach Darstellung der Duma ging es neben der Zusammenarbeit der Parlamente auch um die Kooperation der Jugendorganisationen – aufseiten der AfD die Junge Alternative.“ (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-02/afd-frauke-petry-russland-rechtspopulisten-duma-wjatscheslaw-wolodin).
[22] https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-die-kreml-maer-vom-komplott-des-westens-a-656101e7-e6fd-40be-9e9e-cb7bc3facc58.
[23] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-08/alexej-nawalny-vergiftung-charite-russische-medien-propaganda/komplettansicht sowie https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-kreml-nahe-zeitung-veroeffentlicht-details-zur-ueberwachung-a-68ea1338-9668-4809-bf4a-e7588280d156
[24] Auf Telegram-Kanälen wohl schon zuvor. https://www.spiegel.de/politik/ausland/alexej-nawalny-die-kreml-maer-vom-komplott-des-westens-a-656101e7-e6fd-40be-9e9e-cb7bc3facc58.
[25] In der Folge wird diese Verschwörungstheorie in zahlreichen russischen Medien, insbesondere denen für Europa, kolportiert. So heißt es in einem Kommentar der auf Russisch erscheinenden Deutschlandausgabe der Moskowski Komsomolez: „Die Multimilliarden-Dollar-Wirtschaftspartnerschaft zwischen Russland und Deutschland, die für beide Länder von entscheidender Bedeutung ist, wird offiziell zur Geisel aller Arten von „Unfällen“ – „Unfällen“, die von interessierten dritten Streitkräften und Ländern leicht organisiert werden können.“(7.09.2020, https://www.mk.ru/politics/2020/09/07/oshibka-merkel-ultimatum-kremlyu-izza-navalnogo-chrevat-koshmarnymi-posledstviyami.html).
[26] https://www.vedomosti.ru/politics/articles/2018/02/28/752211-politiki-antisemitizm.
[27] „1949 kam es zu einem weiteren Fall, der heftige Kontroversen in der französischen Öffentlichkeit auslöste: David Rousset, ein KZ-Überlebender, hatte in «Le Figaro» einen Artikel über das sowjetische System der Konzentrationslager veröffentlicht und in seinem Buch «L’Univers concentrationnaire» nicht nur die NS-Konzentrationslager, sondern auch die sowjetischen Zwangseinrichtungen (seit 1918 als koncentracionnyj lager beziehungsweise konclager bezeichnet) dargestellt, wobei er vor allem den Systemcharakter hervorhob und folglich von einem Konzentrations-Universum sprach. «Les Lettres françaises» (mit Louis Aragon als Ankläger) nannte ihn einen trotzkistischen Fälscher, woraufhin er das Organ verklagte. Auch er gewann seinen Prozess, wobei die Aussage von Julius Margolin, dem Verfasser von «Eine Reise in das Land der Lager», ebenso eine Rolle spielte wie jene der Autorin von «Elf Jahre meines Lebens», Elinor Lipper, die 1948 dank Schweizer Vermittlung aus dem Gulag entlassen worden war. Auch Margolins 1950 vor der Uno als Gulag-Zeuge gehaltene «Aufklärungsrede» blieb ohne Konsequenzen in der politischen Öffentlichkeit. Nach den erwähnten Prozessen kam es bei den französischen Intellektuellen zur Spaltung: Es gab die Parteinahme für die Authentizität der Berichte über die Geschehnisse in der Sowjetunion, wie sie für Albert Camus galt, einerseits, und es gab die Weigerung, das Faktische als solches anzuerkennen, wie sie Jean Paul Sartre vertrat, andererseits.“Renate Lachmann in: NZZ, 10.02.2020. https://www.nzz.ch/feuilleton/die-linke-weigerte-sich-lange-den-gulag-zur-kenntnis-zu-nehmen-ld.1527745).
[28] https://www.ruhrbarone.de/gregor-gysi-verdaechtigt-nord-stream2-gegner-des-nawalny-giftanschlags/189721.
[29] https://www.spiegel.de/kultur/tv/maybrit-illner-talk-ueber-putin-mit-gysi-maas-und-weisband-a-474a9ee1-9bc0-4e9c-846b-cae1a58b1de6.
[30] Leider tat Putins Mann im Weißen Haus Mr. Gysi keinen Gefallen und erklärte auf einer Pressekonferenz: „Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Es ist tragisch, furchtbar, wir haben noch keine Beweise gesehen, aber werden es uns anschauen“ (https://www.tagesschau.de/ausland/trump-nawalny-101.html). Trump, der zwar nicht genau wusste, was passiert ist, wusste allerdings, dass es „keine Beweise“ gäbe. Damit vertrat er eine Linie des Kremls und seiner linken Propagandisten im Westen selbst. Auch der lebende chinesische Propaganda-Bot Christian Y. Schmitt, der seit seiner Jugend linke Diktatoren anhimmelt und dessen politisches Programm sich aus Verherrlichung der KP-Diktatur und ihres angeblich unaufhaltsamen Aufstiegs („guter alter Histomat“), Corona-Prognosen und Hass auf die bürgerlich-demokratisch verfassten kapitalistischen Länder zusammensetzt, mochte wie Trump keine Beweise sehen.
[31] https://www.ruhrbarone.de/gregor-gysi-verdaechtigt-nord-stream2-gegner-des-nawalny-giftanschlags/189721.
[32] https://www.faz.net/aktuell/politik/linksbuendnis-lafontaine-und-der-rechte-rand-1230949.html.
[33] https://www.facebook.com/202102663791918/posts/603929686942545.
[34] https://taz.de/Jahresauftakt-der-Linkspartei/!5265177/.
[35] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1141412.vergiftung-von-alexej-nawalnyj-der-rauchende-colt-fehlt-noch.html.
[36] https://web.de/magazine/politik/afd-nawalny-zweifel-rasche-konsequenzen-35052854.
[37] https://www.wsws.org/de/articles/2018/01/10/nava-j10.html.
[38] https://www.wsws.org/de/articles/2018/01/10/nava-j10.html.
[39] Junge Welt, 26.08.2020.
[40] So der Titel von Catherine Beltons 2017 erschienen Buch, in dem sie den Aufstieg der von Putin politisch angeführten herrschende Klasse Russlands darstellt.
[41] So der Titel von Karen Dawisha’s 2014 erschienen Buch, in dem sie der Frage „who own’s russia“ nachgeht und nachweist, dass eine Verbindung aus der alten herrschende Klasse Russlands und Kriminellen den russischen Staat beherrscht und die russische Gesellschaft ausplündert.
[42] https://www.zeit.de/politik/2020-09/russland-kreml-alexej-nawalny-vergiftung-nowitschok.
[43] https://inmoscowsshadows.wordpress.com/2020/09/02/of-novichoks-and-novichoks/.
[44] https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-09/wladimir-putin-kreml-alexej-nawalny-vergiftung-motive.
[45] Die Zeit, 24.08.2020.
[46] Vgl. https://plot-point.org/2020/08/03/schwarze-haut-und-kapital.